Im Jahr 1937 Jahren war die Grenze zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik der Schauplatz einer Massentötung, die lange im kollektiven Gedächtnis der Haitianer eingebrannt war.
Im Rest der Welt aber dieses Massaker entweder unbekannt war oder wurde vergessen.
Ein Massaker, das die Beziehungen zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik prägte.
Es erhielt den Namen das Parsley Massacre, weil die Dominikanischen Soldaten einen Bund Petersilie trugen und alle Leute von denen sie den Verdacht hatten, dass sie Haitianer sind, nach dem spanischen Wort dafür fragten: „perejil“. Für diejenigen, deren Muttersprache Haitianisches Creole war, war es schwierig, das Wort richtig auszusprechen, ein Fehler, der sie ihr Leben kosten konnte.
Vor 80 Jahren in der Dominikanischen Republik …
Vor 80 Jahren, am Rande des 2. Weltkrieges, in Europa wurde der Nationalsozialismus verbreitet, die USA die immer noch zu kämpfen hatten, um sich von der Großen Depression zu erholen, hatten einen bundesweiten Mindestlohn von 25 Cent erlassen und Haiti hatte gerade erst 19 Jahre der US militärischen Besatzung hinter sich.
Vom 2. bis 4. Oktober 1937 wurden in der Dominikanischen Republik 15.000 bis 20.000 haitianische Immigranten ermordet. Die meisten wurden mit Bajonetten und Macheten durch die dominikanische Armee und einige Dominikanische Großgrundbesitzer geschlachtet. Die Köpfe von Kleinkindern wurden an Wänden zerschlagen. Die Frauen wurden mit Mistgabeln aufgespießt. Viele, die auf der Flucht zurück nach Haiti waren, wurden an der Grenze gefangen genommen und getötet.
Diese Morde wurden vom dominikanischen Diktator Trujillo Raphael Leonidas bestellt, in dem Bemühen, die Grenzregion zu „reinigen“ und die Kleinbauern oder „Conuqueros“ zu enteignen, so dass Großgrundbesitzer ihre Ländereien übernehmen konnten.
Trujillo machte seine Absichten für die haitianische Gemeinschaft in einer kurzen Rede anlässlich eines Balls, der zu seinen Ehren am 2. Oktober 1937 in Dajabón gegeben wurde klar, die besagt:
„Seit einigen Monaten bin ich gereist und habe die Grenze im wahrsten Sinne des Wortes überquert. Ich habe gesehen, untersucht, und mich nach den Bedürfnissen der Bevölkerung erkundigt. Den Dominikanern, die sich über die Verwüstungen, die Diebstähle von Rindern, Vorräten, Obst etc. durch Haitianer die unter ihnen leben, beschwert haben und somit daran gehindert wurden, in aller Ruhe die Produkte ihrer Arbeit zu genießen, habe ich geantwortet: „Ich werde dieses Problem beheben.“ Und wir haben bereits begonnen, die Situation zu bereinigen. Dreihundert Haitianer in Bănică sind jetzt tot. Diese Lösung wird fortgesetzt.“
Die internationale Empörung über dieses Massaker, hat durch eine Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen, am 31. Januar 1938, „diese wenigen Zwischenfällen an der Grenze zwischen
einigen Haitianern und Dominikanern“ zu regeln, schnell nachgelassen.
Die haitianische Regierung unter Präsident Sténio Vincent kapitulierte vollständig und überließ alle Verhandlungen internationalen Gerichten. Die Dominikanische Republik stimmte zu, 750.000 $ als Entschädigung an die Opfer zu zahlen. Schließlich wurden 500.000 $ bezahlt, in Höhe von etwa $ 25 bis $ 33 pro ermordeten Haitianer. Niemand wurde jemals zur Rechenschaft gezogen.
Ein paar Fakten die hervorstechen:
- Um eine glaubwürdige Verweigerung der Dominikanischen Armee sicherzustellen, wurden die meisten der Opfer, ohne den Einsatz von Schusswaffen ermordet.
- Die haitianische Regierung war an der Vertuschung und der anschließenden Rechtsverweigerung gegenüber den Opfern mitschuldig.
- Dieses ethnische Säuberungsmassaker war Teil einer ideologischen Kampagne, der herrschenden Klassen um die haitianischen Einwanderer zum Sündenbock für die Notlage der armen Dominikaner zu machen und durch diesen Prozess eine nationale Dominikanische Identität aufzubauen. Dies hat zu einem dauerhaft verwurzelten „Anti-Haitianismo“ geführt, der in der Dominikanischen Kultur allgegenwärtig ist, in der Schule verstärkt wird und systematisch als Instrument der Ausbeutung eingesetzt wird.
Das Massaker das stattfand wurde von den herrschenden Klassen der Dominikanischen Republik in Komplizenschaft mit den herrschenden Klassen in Haiti organisiert und der haitianische Staat
selbst erhielt (wenn auch minimal) eine Entschädigung vom Dominikanischen Staat.
Es war nicht das erste Mal in der Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Ländern dass reaktionäre Richtlinien, von herrschenden reaktionären nationalistischen Klassen verabschiedet wurden. Im Jahr 1822, hat die haitianische herrschende, feudale Klasse, durch ihren reaktionären Staat, den östlichen Teil der Insel überfallen und besetzt und war verantwortlich für reaktionäre und repressive Maßnahmen, wie die Schließung von Schulen und Universitäten. Es gab einen 22 Jahre dauernden Widerstand gegen die Besatzung Haitis, der in der Niederlage der Besatzungstruppen und der Ausrufung der Unabhängigkeit der Dominikanischen Republik am 27. Februar 1844 gipfelte. Diese Kämpfe, unter der Führung der reaktionären herrschenden Klassen in beiden Ländern bilden die historische Kulisse die sie benutzt haben, um nationalistische Inbrunst zur Unterstützung ihrer Herrschaft zu aufzubauen.
Der gleiche nationalistische Eifer, hat durch die systematischen, staatlich verordneten Richtlinien, zu extremer Ausbeutung und Missbrauch von Plantagenarbeitern haitianischen Ursprungs auf der dominikanischen Seite der Insel geführt.
Im Laufe der Jahre, haben die Dominikanischen herrschenden Klassen, mit dem stillschweigenden Einverständnis der haitianischen Kollegen, die staatlich tolerierten Apartheid ähnlichen Richtlinien erweitert, um ein reichhaltiges Angebot an Niedriglohnarbeit zu liefern, was de facto zu zwei verschiedene Lohngruppen in der gesamten Landwirtschaft, den Bauberufen und überall sonst wo es von Nutzen war, geführt hat: Arbeiten, die von „illegalen“ Haitianern durchgeführt werden und Arbeiten, die von „legalen“ Dominikanern durchgeführt werden. Es wird geschätzt, dass „illegale“ haitianische Arbeiter etwa 30% der Produktion in der Dominikanischen Wirtschaft zu erzeugen, während sie nur etwa 10% der Bevölkerung ausmachen.
Die Morde von 1937 haben die Beziehung zwischen den beiden Ländern auf der Insel Hispaniola verändert und ihre Auswirkungen sind bis heute spürbar.
Es wird geschätzt, dass als mehr als eine Million Haitianer als illegale Migranten in der Dominikanischen Republik leben und an der Grenze in Dajabon, ist Menschen-Schmuggel immer noch weit verbreitet.
„Nach 1937 wurde die Dominikanische Kultur exklusiv. Auf lokaler Ebene könnten die Menschen zusammen arbeiten und akzeptieren, dass wir eine Gesellschaft sind, die gemischt ist und in der Dominikaner haitianischer Abstammung ein Teil dieser Gesellschaft sind“, sagt Dr. Edward Paulino, ein Dominikanisch-Amerikanisches Mitglied von Border of Lights, aber auf der staatlichen Ebene gibt es immer noch dieses Gefühl der Ablehnung der dunkelhäutigen Haitianer.“
Ein Beispiel das für Aufsehensorgte – die Entscheidung des Dominikanischen Verfassungsgerichtshofes, gebürtigen Dominikanern mit haitianischen Wurzeln, rückwirkend bis 1929 die Dominikanische Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Diese Vorgehensweise erinnert sehr stark an das Massaker von 1937. Zwar mordet man nicht mehr mit Macheten und Mistgabeln, aber hunderttausende Menschen ihrer Identität, ihrer Staatsbürgerschaft, ihrer Heimat zu berauben kommt einem Völkermord wie vor 80 Jahren schon sehr nahe.